Bestimmung der Gehaltsangabe
Die Gehaltsangabe ist für Bewerber ein heißes Eisen. Wer sich zu teuer verkauft, kann sich die Chance auf ein Vorstellungsgespräch genauso verbauen wie jemand, der zu tief stapelt. Die Preisgestaltung ist ein entscheidendes verkaufspsychologisches Argument. Der Kauf eines Autos setzt prinzipiell dieselben Entscheidungsmechanismen in Gang wie der Einkauf von neuem Personal. Natürlich möchte man in der Regel günstig kaufen, aber nicht so günstig, dass die Qualität darunter leidet. Zu billig darf es also auch nicht sein.
Die meisten Bewerber möchten das Gehaltsthema bis zum Vorstellungsgespräch vertagen. Das ist legitim, so lange Sie diesbezüglich nicht um Auskunft gebeten werden. Aber was, wenn die Stellenanzeige ausdrücklich eine Gehaltsangabe verlangt?
Aufforderung zur Gehaltsangabe übergehen?
Viele Bewerber retten sich im Anschreiben über eine Gehaltsangabe hinweg, indem Sie sich nicht dazu äußern oder auf das Vorstellungsgespräch verweisen:
Meine Gehaltsvorstellungen möchte ich gerne persönlich mit Ihnen besprechen.
Das ist grundsätzlich nicht verboten, aber: seien Sie sich im Klaren darüber, dass ein bewusster Verzicht auf die Gehaltsangabe ebenso gut aufs Abstellgleis führen kann wie die Äußerung unrealistischer Gehaltsvorstellungen.
Jeder Arbeitgeber investiert in das Auswahlverfahren Zeit und Geld, insbesondere, wenn dem Vorstellungsgespräch ein Assessment-Center vorausgeht. Aus unternehmerischer Perspektive ist es ziemlich unwirtschaftlich, sich auf einen vielversprechenden Bewerber einzulassen, nur um am Ende des Vorstellungsgesprächs festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund unvereinbarer Gehaltsvorstellungen nicht zustande kommen kann.
Vor diesem Hintergrund haben Bewerber mit konkreten und budgetkonformen Gehaltsvorstellungen bessere Chancen auf eine Gesprächseinladung als Bewerber ohne Gehaltsangabe.
Es ist überdies kein Zeichen von Höflichkeit, eine Bitte zu ignorieren. Es drängt sich die Frage auf, ob Sie im Arbeitsalltag nicht etwa ähnlich ausweichend reagieren würden. Insofern ist die Gehaltsangabe auch eine Gelegenheit, Urteilsvermögen und Entschlossenheit zu demonstrieren.
Die Gehaltsangabe im Anschreiben formulieren
Einflussfaktoren zur Bestimmung der Gehaltsforderung
Grundsätzlich sollten Sie bei der Gehaltsangabe wenigstens gedanklich einen Maximal- und Minimalbetrag festlegen. Dadurch haben Sie später eine Verhandlungsgrundlage und wissen genau, wann Sie aussteigen sollten. Der Minimalbetrag ist jener Betrag, den Sie verdienen müssen, um Ihren Lebensunterhalt bzw. Lebensstandard zu sichern. Der Maximalbetrag hingegen ist Ihr eigentliches Wunschgehalt und erscheint als Gehaltsvorschlag im Anschreiben.
Wenn Sie sich aus einer starken Position heraus bewerben (ungekündigte Stellung, adäquate Qualifikationen), dann kann dieser Betrag gut und gerne 10 bis 15 % über Ihrem aktuellen Gehalt liegen. Wer dazu noch unterdurchschnittlich verdient oder besondere Verantwortungsbereiche übernehmen soll, kann auch schon mal 20 bis 25 % draufschlagen. Wer sich hingegen aus der Arbeitslosigkeit oder als Berufseinsteiger bewirbt, der muss schon ziemlich gute Gründe vorbringen, um einen überdurchschnittlichen Verdienst zu rechtfertigen.
Die Gehaltsangabe ist das Ergebnis einer individuellen und ganzheitlichen Betrachtung ganz verschiedener Faktoren. Reflektieren Sie alle Faktoren am besten schriftlich – Sie sollten jederzeit in der Lage sein, Ihren Gehaltsanspruch zu begründen.
Referenzwerte
- das aktuelle bzw. letzte Gehalt: ist Ihr wichtigster Referenzwert. Ob Sie diesen Wert tatsächlich als Grundlage für Ihren Gehaltsvorschlag heranziehen können, ist aber noch von vielen anderen Faktoren abhängig.
- Vergleichswerte: Vergleichsgehälter sind Ihr zweites Hauptindiz zur Festlegung eines Maximalbetrags. Sie liefern den Hinweis, ob Sie über- oder unterdurchschnittlich verdienen. Entsprechend vorsichtig oder großzügig sollten Sie dann den Aufstockungsbetrag gestalten. Recherchieren Sie nach möglichst vielen Vergleichsgehältern, um einen Überblick zu bekommen, was realistisch ist. Orientieren Sie sich dabei bevorzugt an Gehältern mit ähnlichen Rahmenfaktoren (hinsichtlich Qualifikation, Berufserfahrung, Region, Branche, Anzahl der geleisteten Wochenstunden, Position im Unternehmensgefüge, Stellenanforderungen…) Bei der Recherche nach Vergleichsgehältern helfen Ihnen z. B. Lohnvergleichsportale im Internet – suchen Sie einfach nach Schlagwörtern wie „Lohnvergleich“, „Lohnspiegel“ oder „Gehaltsvergleich“. Verlassen Sie sich aber nicht allein auf die Gehaltsangaben aus dem Netz, sondern befragen Sie auch Kollegen, Bekannte oder ehemalige Ausbilder…
- Tarifvertrag: bei tariflicher Vergütung werden Sie in der Stellenanzeige sehr wahrscheinlich nicht zu einer Gehaltsangabe aufgefordert. Der Tarifvertrag stuft Sie nach ganz bestimmten Kriterien in eine Gehaltsgruppe ein (z. B. Art der Tätigkeit, Berufserfahrung). Verhandlungsspielräume sind bei Berufseinsteigern so gut wie gar nicht vorhanden, bei besonders qualifizierten Fachkräften schon eher.
Stellenanforderungen
Auch besondere Stellenanforderungen sollten Sie in Ihrem Gehaltsvorschlag berücksichtigen. Wer mehr Verantwortung trägt oder einer größeren Belastung ausgesetzt ist, sollte auch höhere Gehaltsansprüche geltend machen.
Besondere Stellenanforderungen sind beispielsweise:
- leitende Funktion (Budgetverantwortung, Anzahl unterstellter Mitarbeiter),
- verantwortungsvolle Projekte,
- strategische Aufgaben,
- innovationsorientierte Tätigkeit ("Pionierarbeit"),
- außergewöhnliche Gefahren oder Risiken,
- erhöhte Mobilitätsbereitschaft (national, europa- oder weltweit),
- Dienst zu ungünstigen Zeiten (Schichtdienst, Arbeit am Wochenende),
- überdurchschnittliche Wochenarbeitszeit.
Leistungsangebot des Arbeitnehmers
- sollten Sie besondere stellenrelevante Leistungsmerkmale aufweisen, die aller Wahrscheinlichkeit nach kein anderer Bewerber mitbringt, dann ist dies ein absolut plausibler Grund, Ihren Gehaltswunsch höher zu veranschlagen als es ein durchschnittliches Vergleichsgehalt nahelegen würde
- wenn Sie darum gebeten werden, Ihren Gehaltsvorschlag zu verargumentieren, dann beginnen Sie am besten mit Ihren besonderen Leistungsmerkmalen – Stellenanforderungen und Referenzwerte sind zwar auch akzeptable Argumente, aber eben nur solche, die von „außen“ kommen und im Grunde nicht viel mit Ihrem individuellen Nutzwert zu tun haben
Als besondere Leistungsmerkmale gelten z. B.:
- Nähe zum Unternehmen (als Praktikant, Dienstleister oder ehemaliger Mitarbeiter)
- stellenrelevante Spezialkenntnisse/ Weiterbildungen/ Zusatzqualifikationen,
- langjährige Berufserfahrung,
- Referenzen (namhafte Kunden),
- Erfolge (z. B. erhöhter Umsatz, Auftragssteigerung, Effizienzsteigerung),
- Netzwerkkenntnisse (gute Beziehungen zu Entscheidungsträgern der Branche),
- Auslandserfahrung (wenn stellenrelevant),
- gute bis sehr gute Kenntnisse einer Fremdsprache (wenn stellenrelevant).
- überdurchschnittliche Zeugnisbeurteilungen
Und als Berufseinsteiger:
- sehr guter Ausbildungsabschluss,
- mehrere stellenrelevante Praktika,
- stellenrelevante Spezialkenntnisse, die im Rahmen der Abschlussarbeit erworben wurden.
- Ebenso gibt es Merkmale, die Ihre Verhandlungspostion schwächen und einen eher unterdurchschnittlichen Gehaltsanspruch begründen:
- Arbeitslosigkeit,
- Berufs-/ Quereinsteiger, wenig Berufserfahrung,
- Qualifikationsdefizite,
- unterdurchschnittliche Zeugnisbeurteilungen.
Rahmenfaktoren
- berücksichtigen Sie in Ihrer Gehaltsforderung die gesamtwirtschaftliche Situation des Betriebs, der Branche und der Region
- recherchieren Sie einen „Gehaltsvergleich nach Branchen“ im Internet
- die Gehälter in der Pharma-, IT- oder Chemiebranche können schon mal 5 – 10 % höher liegen als im Durchschnitt
- in Bildungseinrichtungen, Zeitarbeitsfirmen und im Einzelhandel liegen die Gehälter dagegen schon mal 10 – 20 % unter dem Durchschnitt
- auch die Firmengröße spielt eine Rolle: Wer in einem Unternehmen mit 5000 Mitarbeitern tätig ist, kann durchaus 10 % mehr verdienen als in einem Unternehmen mit 50 Mitarbeitern
- starke Umsatzzahlen und Fachkräftemangel können Ihre Position ebenfalls stärken
- in strukturschwachen Regionen sind i. d. R. niedrigere Gehälter zu erwarten (in Ostdeutschland sind die Löhne durchschnittlich 20 % niedriger als in Westdeutschland)
- in der Zeitarbeitsbranche kann das Lohnniveau 20 bis 30 % niedriger ausfallen
Individuelle Rahmenfaktoren
- Ihr Gehaltsanspruch ist nicht zuletzt von Ihrer persönlichen Lebenssituation abhängig
- wenn Ihr zukünftiger Arbeitsort weiter von Ihrem Wohnort entfernt liegt als bisher und Sie durch die anfallenden Fahrtkosten stark belastet würden, dann müssen Sie Ihre Minimalforderung entsprechend erhöhen
- auch Miet- und Kinderbetreuungskosten sollten Sie in der Kalkulation des Minimalbetrags berücksichtigen
- möglicherweise verringern sich auch Ihre Lebenshaltungskosten durch den Stellenwechsel – in diesem Fall könnten Sie Ihren Verhandlungsspielraum nach unten etwas ausweiten
- vielleicht kommen Sie sogar in die Verlegenheit, von vornherein einen Gehaltskompromiss einzugehen, z. B. als Quereinsteiger oder bei einem Branchenwechsel
- hier kommen dann nicht-monetäre Motivationsfaktoren ins Spiel, z. B.
- interessantere Tätigkeit
- attraktiverer Arbeits- oder Wohnort
- besseres Arbeitsklima
- verringerte Fahrzeit
- geringerer Stresslevel
- günstigere Arbeitszeiten
- Faktoren wie diese lassen sich nicht direkt in Geldbeträgen aufwiegen – die Toleranzgrenze für einen Gehaltseinschnitt, können Sie nur selbst bestimmen
Leistungsangebot des Arbeitgebers
- Arbeitgeberleistungen werden im Vorstellungsgespräch gerne als Gegenargument eingesetzt, um Ihren Gehaltsanspruch zu parieren (was gerechtfertigt ist, schließlich müssen diese Leistungen finanziert werden)
- lassen Sie daher Ihre Gehaltsvorstellungen vom Leistungsangebot des Arbeitgebers zunächst einmal gänzlich unbeeinflusst
- Stellenanzeigen gehen nur oberflächlich auf Arbeitgeberleistungen ein, Details müssen dann im Vorstellungsgespräch erfragt werden
Der Leistungskatalog eines Arbeitgebers kann z. B. folgende Punkte umfassen:
- Urlaubsanspruch (gesetzlicher Mindestanspruch: 24 Tage pro Jahr),
- Urlaubsaufstockung (z. B. nach längerer Betriebszugehörigkeit),
- Entgegenkommen in der Wochenarbeitszeit (z. B. 38-Stunden-Woche),
- Leistungszulagen (z. B. für Überstunden oder Dienst zu ungünstigen Zeiten),
- Übernahme von Fahrtkosten,
- Urlaubsgeld/ Weihnachtsgeld – zählen selbstverständlich auch zum Leistungskatalog des Arbeitgebers, sind aber in Ihrer Gehaltsangabe bereits einkalkuliert,
- Sonderzahlungen/ Gewinnbeteiligungen,
- Betriebsrente,
- Finanzierung von Weiterbildungen,
- Aufstiegsmöglichkeiten,
- Firmenwagen,
- Firmenhandy,
- Mitarbeiterrabatt,
- Betriebskindergarten,
- Mitarbeiterkantine,
- Betriebsausflüge.
Vorgehensweise zur Ermittlung eines Wunschgehalts
Grundsätzlich sollten Sie eine Gehaltsanalyse separat für jede Stelle vornehmen.
Dokumentvorlage für eine Gehaltsanalyse herunterladen
- Ermittlung eines Mindestgehalts
Das Mindestgehalt ist bei der Gehaltsverhandlung Ihre Schmerzgrenze nach unten. Um zu wissen, was Sie zur Sicherung Ihres Lebensstandards/ Lebensunterhalts verdienen müssen, müssen Sie einen genauen Überblick über Ihre Jahresausgaben und Nettoeinnahmen haben. Die Hochrechnung der Monatsausgaben ist nur ausnahmsweise zu empfehlen, da die Gesamtausgaben für einen Haushalt nur sinnvoll über den Zeitraum eines Jahres erfasst werden können. Möglicherweise ändern sich Ihre Ausgaben mit der neuen Stelle (Miete, Fahrtkosten, Kinderbetreuung etc.), so dass Sie auch das Mindestgehalt entsprechend anpassen müssen. Bedenken Sie dabei, dass Sie zur Deckung Ihrer Ausgaben – entsprechend Ihrer Steuerklasse – ein höheres Mindestgehalt ermitteln müssen (Bruttogehalt = Gehalt vor Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen). Ermitteln Sie Ihr Mindestgehalt auf Basis von 12 Monatsgehältern (also ohne Weihnachts- und Urlaubsgeld).
- Vergleich marktüblicher Gehälter und Ermittlung einer Gehaltsskala
Recherchieren Sie sorgfältig die aktuellen regionalspezifischen Gehälter Ihrer Berufssparte, um sich nicht unter oder über Wert zu verkaufen. Legen Sie ein niedriges, mittleres und hohes Gehaltsniveau fest. Achten Sie auf Vergleichbarkeit der Werte, indem Sie als Basis eine 40-h-Woche und 12 Monatsgehälter festlegen.
- Positionierung auf der Gehaltsskala anhand der Stellenanforderungen, der eigenen Leistungsmerkmale und der wirtschaftlichen Rahmenfaktoren
Um zu entscheiden, ob Ihr Verdienst (unter-/über-)durchschnittlich zu bemessen ist, benötigen Sie eine Argumentationsgrundlage. Verinnerlichen Sie diese Argumente, um damit im Vorstellungsgespräch Ihren Gehaltsanspruch zu verteidigen.
- Festlegung auf ein konkretes Wunschgehalt
Das Wunschgehalt formulieren Sie als Jahresbrutto inklusive Weihnachts- und Urlaubsgeld. Die Sonderzahlungen entsprechen je nach Tarif und Branche keinem vollen Monatsgehalt (in der Regel sind es zwischen 40 und 70 %). Das Wunschgehalt enthält üblicherweise einen Aufschlag von etwa 10 bis 15 %, je nachdem wie gut Ihre Verhandlungsposition ist.
- Bestimmung eines Gehaltskompromisses
Registrieren Sie alle Zusatzleistungen und (nicht) geldwerten Vorteile, die mit der neuen Stelle verbunden sind und legen Sie sich auf ein Kompromissgehalt fest. Je nach Motivationsschwerpunkt kann dieser Betrag durchaus unterhalb Ihres derzeitigen Verdienstes liegen. Äußern Sie Ihren Kompromiss aber nicht sofort, sondern bringen Sie erst einmal alle Zusatzleistungen in Erfahrung und lassen Sie sich immer etwas Bedenkzeit einräumen (auch um selbst noch einmal genau nachzurechnen).