Körperschmuck im Vorstellungsgespräch?
In der Vorbereitung zum Vorstellungsgespräch werden Bewerber gelegentlich mit Fragen konfrontiert wie:
- Muss ich mein Lippen-Piercing herausnehmen?
- Soll ich mein Unterarm-Tattoo verdecken?
- Soll ich mir die Haare zusammenbinden?
- Muss ich meinen Bart kürzen?
Obwohl Körperschmuck heute längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, gilt im Vorstellungsgespräch nach wie vor: im Zweifel lieber konservativ.
Zwar kann Ihnen erst einmal niemand verbieten, sich im Bewerbungsgespräch so zu präsentieren, wie es Ihnen lieb ist. Das ist Privatsache und fällt unter die grundgesetzlich verankerte “freie Entfaltung der Persönlichkeit”. Aber: wenn das Arbeitsverhältnis vertraglich begründet wird, entstehen beim Arbeitgeber Weisungsbefugnisse, die – nach “billigem Ermessen” – auch “Ordnung und Verhalten” (§ 106 Abs. 1 GewO) des Arbeitnehmers betreffen können. Mit anderen Worten: der Arbeitgeber darf durchaus Bekleidungkonventionen machen, sofern ein nachweisbares geschäftliches Interesse dahinter steht.
Wenn Sie unsicher sind, wie tolerant der Arbeitgeber gegenüber Körperschmuck eingestellt ist, dann entfernen Sie alle sichtbaren Piercings, bedecken Sie alle sichtbaren Tattoos / Brandings. o. Ä. so gut es geht mit Kleidung, d. h. lange Hosen, lange Ärmel, geschlossener Kragen, geschlossene Schuhe, zur Not auch ein Halstuch. Können Sie das Tattoo partout nicht unter der Kleidung verstecken, sollten Sie es mit hautfarbenem Pflaster abkleben. Den weiteren Umgang klären Sie dann im Verlauf des Bewerbungsgesprächs.
Ein nachdrückliches Interesse an Bekleidungskonventionen entsteht z. B. dort, wo Sicherheits- oder Hygienevorschriften eingehalten werden müssen oder wo Kundenkontakt zum alltäglichen Geschäft gehört. Möglicherweise existieren auch Betriebsvereinbarungen, die mit dem Einvernehmen des Betriebsrats verbindliche Vorschriften für jeden Mitarbeiter machen.
Allein vor diesem Hintergrund sollten Bewerber ein konservatives Auftreten bevorzugen. Die Frage nach den Bekleidungskonventionen können Sie dann selbst zur Sprache bringen – damit manövrieren Sie sich in eine gesprächsstrategisch günstigere Position:
- Sie bleiben Gesprächsakteur und können selbst bestimmen, wann Sie das Thema ansprechen
- Sie zeigen, dass Sie sich Gedanken über professionelles Auftreten machen
- Sie signalisieren Gesprächsbereitschaft
Wer sein Gesprächsumfeld vor vollendete Tatsachen stellt, muss damit rechnen, in fremden Köpfen ein Gedankenkarussell anzuwerfen, das mit Wahrnehmungsfehlern einhergeht. Auch, wenn die Akzeptanz von Körperschmuck heutzutage in konservative Branchen hineinreicht, lösen Sie damit womöglich ganz stereotype Fragen aus:
- Wie anpassungsfähig wird der Bewerber sein?
- Wie das wohl bei unseren Kunden ankommt?
- Kann so ein Individualist im Team arbeiten?
- Ist das alles nur Fassade?
Körperschmuck kann Ihre Chancen für eine Stelle nicht steigern. Er kann aber den Ausschlag geben, Sie für eine Stelle nicht in Betracht zu ziehen.
Man muss wissen, dass Merkmale der äußeren Erscheinung ein rechtlich zulässiger Ablehnungsgrund sind, zumindest, sofern triftige dienstliche Gründe dafür sprechen. Wenn der Arbeitgeber einwendet, dass sich ein sichtbares Tribal am Hals für eine repräsentative Tätigkeit nicht eignet, so ist diese Entscheidung legitim. Welche Ablehnungsgründe rechtlich vertretbar sind oder nicht, darüber haben im Einzelfall die Gerichte zu entscheiden [1]. Um sich nicht unnötig angreifbar zu machen, werden die meisten Absagen deshalb eher vage und floskelhaft formuliert.
[1] Für unzulässig erklärt wurde zum Beispiel die Ablehnung einer Bewerberin mit tätowiertem Handgelenk (Verwaltungsgericht Berlin, Az.: VG 36 L 83.15). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW stellte dagegen klar, dass Bewerber für den Polizeivollzugsdienst mit großflächigen sichtbaren Tätowierungen abgelehnt werden können (Beschl. v. 26.09.2014, Az. 6 B 1064/14).