Selfie als Bewerbungsfoto – So geht’s!
Bewerbungsratgeber weisen gerne darauf hin, dass für Bewerbungszwecke ausschließlich Fotos vom Fotografen verwendet werden sollten. Nicht zu Unrecht, denn ein Lichtbild bestimmt als visuelles Element den ersten Eindruck Ihrer Bewerbungsunterlagen maßgeblich mit. Dass sich Schnappschüsse verbieten, ist klar – aber ist es nicht dennoch möglich, ansprechende Fotos in den eigenen vier Wänden zu produzieren – ganz ohne teure Ausrüstung?
Durchaus! Der folgende Praxisartikel zeigt Ihnen, wie Sie Ihr Bewerbungsfoto selber machen können – ganz ohne Spiegelreflexkamera, Lichtstativ oder Photoshop. Mit der richtigen Methodik liefert auch die Selfie-Kamera eines Smartphones vorzeigbare Ergebnisse.
Qualitätskriterien eines Bewerbungsfotos
Für ein Bewerbungsfoto sind natürlich andere Maßstäbe anzusetzen als für ein Selfie im herkömmlichen Sinne. Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Bildgestaltung:
- Neutraler Hintergrund: Um den Fokus auf die Person zu lenken, sollte im Hintergrund nichts Gegenständliches erkennbar sein, auch keine Muster, Strukturen oder abrupte Hell-Dunkel-Unterschiede.
- Kontraststärke: Ein gutes Foto stellt Hell-Dunkel-Unterschiede dar, ohne dass ein Grauschleier darüber liegt. Starke Kontraste verleihen dem Bild Brillianz.
- Weiches Licht: Direktes Sonnenlicht ist hartes Licht. Die Folge sind harte Schatten, die sich unschön im Gesicht oder Hintergrund niederschlagen. Weiches Licht wird über sog. Diffusoren gestreut. Das kann z. B. die Wolkendecke am Himmel sein oder ein Vorhang am Fenster. Die Ausleuchtung wirkt dadurch ausgewogen und gleichmäßig.
- Perspektivische Büste: Frontalfotos wirken flach und gelegentlich sogar unvorteilhaft. Weitaus mehr Dynamik entsteht, wenn der Körper leicht zur Seite gedreht wird.
Daneben kommt es aber auch ganz wesentlich auf die abgebildete Person an. Nachlässigkeiten beim äußeren Erscheinungsbild, kann auch die beste Studiotechnik nicht korrigieren.
- Business-Kleidung: Es muss nicht gleich ein Maßanzug sein, aber mit (Polo-)Hemd oder Bluse können Sie sich besser empfehlen als mit T-Shirt oder Top. Schulterfreie Arme sind auf Bewerbungsfotos übrigens tabu.
- Gepflegtes Äußeres: Haare frisiert, Bart getrimmt, ggf. Make-Up auftragen.
- Ggf. entspiegelte Brille: Günstige Brillengläser sind oft nicht entspiegelt, was, je nach Lichteinfall, mit unerwünschten Reflexionen verbunden ist. Das kann so weit führen, dass die Augen hinter der Spiegelung nicht mehr richtig erkennbar sind. Damit geht das wichtigste Ausdrucksmerkmal des Gesichts verloren.
- Gesichtsausdruck: Seriös bis freundlich mit direktem Blickkontakt in die Kamera. Ob man mit offenem oder geschlossenem Mund lächeln möchte, bleibt letztlich dem persönlichen Geschmack überlassen.
Das richtige Licht
Herkömmliche Raumbeleuchtung ist aufgrund der Lichttemperatur, der geringen Lichtstärke und der unzureichend flexiblen Positionierungsmöglichkeiten auch für semiprofessionelle Ambitionen ungeeignet. Gleiches gilt für die Selfie-LED Ihres Smartphones. Innerhalb eines Raumes herrschen die besten Lichtbedingungen bei Tageslicht in unmittelbarer Nähe zum Fenster vor. Je weiter man sich in den Raum hinein bewegt, desto deutlicher legt sich ein Schattenschleier über das Motiv.
Hartes Sonnenlicht kann behelfsweise gestreut werden mit Butterbrot-/Backpapier, einem Lamellenvorhang, einer Tischdecke, einem Bettlaken o. Ä. – vorausgesetzt, dass sich Streumedium farbneutral verhält und genug Licht durchlässt. Alternativ bietet sich vielleicht auch eine Foto-Session außerhalb der eigenen Wohnräume an, z. B. im Garten oder auf dem Balkon. Auch hier ist direktes Sonnenlicht ist kontraproduktiv, eine (nicht allzu dicke) Wolkendecke bietet dagegen gute Lichtbedingungen.
Der richtige Hintergrund
Als neutraler Hintergrund empfiehlt sich ein weiße, unstrukturierte Fläche. Eine weiß tapezierte oder gestrichene Wand ist leider nur mit Kunstlicht (z. B. durch Lichtstative bzw. Softboxen) brauchbar. Da wir uns nach dem einfallenden Sonnenlicht richten müssen, benötigen wir eine mobile Fläche, die wir direkt am Fenster, hinter dem Motiv platzieren können.
Am einfachsten geht das mit einer transportablen Leinwand, wie man sie bspw. für Projektoren benutzt. Eine Leinwand der Marke Eigenbau lässt sich ganz einfach mit einem Kleiderständer und einem weißen Tuch (Bettlaken, Tischdecke, Molton…) konstruieren. Damit keine Falten entstehen, strafft man das Tuch am besten mit sog. Klemmzwingen.
Wer auch diese Dinge nicht zur Hand hat, behilft sich mit Stühlen, die auf einen großen Tisch gestellt bzw. darauf gestapelt werden. Darüber werden dann ein bis zwei Spannbettücher gezogen – je nachdem wie dicht der Stoff ist. Beim Spannen ist Vorsicht geboten, da die Stühle schnell mal aus der Position geraten oder gar kippen können, wenn das Tuch zu fest gestrafft wird. Wenn Sie groß gewachsen sind oder die Fensterhöhe niedrig ausfällt, sollten Sie die Sitzvariante bevorzugen, um mit dem Kopf nicht aus Versehen in den Wandschatten zu geraten.
Tipps für die Selfie-Session
- Positionieren Sie sich seitlich, um mehr Dynamik in das Foto zu bringen und richten Sie den Kopf frontal auf die Kamera aus.
- Kontrollieren Sie auf dem Display noch mal, ob alles richtig sitzt: Frisur, Kragen, Krawatte, Brille?
- Halten Sie die Kamera auf Augenhöhe, vermeiden Sie die Frosch- oder Vogelperspektive.
- Nutzen Sie, falls vorhanden, den Selbstauslöser Ihrer Kamera, um in einer entspannten Position zu verweilen.
- Kurz vor dem Auslösen sollten Sie darauf achten, dass Sie den Blick vom Display lösen und direkt in die Kamera blicken.
- Machen Sie mehrere Fotos in verschiedenen Varianten: rechte vs. linke Seite, seriös vs. freundlich, mit/ohne Brille, mit/ohne Jackett etc.
- Fotografieren Sie mit ausreichend Abstand, um objektivbedingte Verzerrungen zu vermeiden (min. 60 - 70 cm), den Bildausschnitt vergrößern wir dann später per Software
Bildbearbeitung mit der kostenlosen App “Snapseed”
Ideale Lichtbedingungen wie im Foto-Studio sind mit Hausmitteln kaum zu erzielen. In bestimmten Grenzen können Defizite bei der Beleuchtung aber mit einer Bildbearbeitungs-Software wettgemacht werden. Früher war Bildbearbeitung komplexen Desktop-Programmen wie Photoshop oder GIMP vorbehalten. Inzwischen sind Alternativen verfügbar, die auf dem Smartphone laufen, einfach zu handhaben und kostenlos dazu sind. Eine davon ist die App “Snapseed” aus dem Hause Google, verfügbar für Android und iOS.
Im Folgenden sehen Sie beispielhaft die Prozess-Schritte zur Nachbearbeitung eines Selfies mit Snapseed. Wenn Sie die einzelnen Arbeitsschritte en detail nachvollziehen möchten, können Sie sich das Youtube-Tutorial zu diesem Artikel ansehen.
Eventuell müssen Sie im Textverarbeitunsprogramm die Kontrastwerte des Bildes noch einmal verstärken – je nachdem mit welcher Bildschirmhelligkeit Sie am Smartphone gearbeitet haben. Ist der Helligkeitsregler am Smartphone maximiert, dann liegen die Luminanzwerte des Displays wahrscheinlich über denen eines Desktop-Bildschirms. Folglich neigt man dazu, die Gradationskurve weniger stark anzupassen, als es für den Desktop-Bildschirm eigentlich nötig wäre. Also: entweder mit niedriger Bildschirmhelligkeit am Smartphone arbeiten, oder Kontrast nachträglich im Textverarbeitungsprogramm erhöhen.