Das Vorstellungsgespräch rhetorisch vorbereiten
Nach der inhaltlichen Vorbereitung sollten Sie sich einige Tage Zeit nehmen, um Ihre “Performance” einzuüben. Der Lernprozess beginnt bereits mit der stichpunktartigen Ausarbeitung der Bewerberstory und der Interviewfragen, denn schon mit der Niederschrift verankern Sie einen Teil der Informationen in Ihrem Gedächtnis. Alles übrige eigenen Sie sich mit kontinuierlicher Wiederholung an. Obwohl der Aufwand individuell sehr verschieden ausfallen kann, sollten Sie mit durchschnittlich fünf bis zehn Wiederholungen rechnen, ehe alles sitzt.
Wer ein umfangreiche Bewerberstory zum Besten geben möchte, kann mit einer visuellen Selbstpräsentation seinem Gedächtnis etwas auf die Sprünge helfen.
Grundsätzlich müssen Sie in der Lage sein, sich frei und flüssig zu äußern – ohne Skript und ohne größere Denkpausen. Wenn Sie Ihre Stichpunkthilfe mit ins Gespräch nehmen, werden Sie schwerlich den Eindruck vermitteln können, dass Sie wissen, wovon Sie reden. Stellen Sie sicher, dass Sie wirklich mit Stichpunkten üben und nicht mit Sätzen – nur so sind Sie gezwungen, das Prinzip des Sprechdenkens anzuwenden und nur so können Sie Ihrem Vortrag eine natürliche Betonung zu verleihen. Zum Einprägen kann es hilfreich sein, Passagen laut vor sich hin zu sprechen oder mit einem Lernpartner zu arbeiten. Damit sich die gelernten Informationen “setzen” können, sollten die Wiederholungseinheiten über mehrere Tage verteilt werden.
Stimme
Rhetorisches Geschick reduziert sich nicht nur auf eine freie und flüssige Vortragsweise. Auf stimmlicher Ebene kommen weitere Faktoren hinzu, die Eindruck auf den Kommunikationspartner machen. Betrachten wir hierzu die folgenden Beispiele:
Dieser Bewerber spricht leise, artikuliert undeutlich und antwortet zögerlich und einsilbig – Indizien, die allesamt als Zeichen für mangelndes Selbstvertrauen gelten. Sind die Aussagen des Bewerbers unverständlich, ist das außerdem ein klares Minus in puncto Kommunikationsfähigkeit.
Arbeiten Sie mit Feedback-Kanälen, um festzustellen wie (un)deutlich Sie sprechen. Spielen Sie bewusst mit der Lautstärke und achten Sie darauf, dass Sie den Mund zum Formen der Vokale (a, e, i, o, u) einsetzen. Nuscheln ist häufig ein Folge davon, dass jemand “den Mund nicht aufkriegt”.
Dieser Bewerber ist im Rechtfertigungsmodus. Sprechtempo und Tonlage sind erhöht. Füllwörter (äh, halt, ja) und Verhaspler sind Anzeichen für Unsicherheit. Man- und Wir-Formulierungen deuten darauf hin, dass sich der Bewerber gerne aus der Affäre ziehen möchte.
Atmen Sie tief durch und lassen Sie sich auf die Situation ein. Scheuen Sie sich nicht vor Sprechpausen. Wenn Sie mal zwei Sekunden nichts sagen, wird Ihnen das niemand übel nehmen. Schlechte Karten haben Sie nur dann, wenn Sie um den heißen Brei reden und sich nicht Ihrer Verantwortung stellen.
Die Betonung (auch: Sprachmelodie oder Modulation) klingt unnatürlich, die Aussagen wirken wie auswendig gelernt oder abgelesen. Wortwahl und Satzkonstruktionen sind dem Schriftdeutsch entlehnt. Damit büßt der Bewerber an Authentizität ein.
Bereiten Sie sich mit Stichpunkten vor. Die Sätze konstruieren Sie dann “live” nach dem Prinzip des Sprechdenkens.
Dieser Bewerber betont natürlich und lebendig – das hilft dem Zuhörer, Schlüsselinformationen zu identifizieren. Sprechtempo und Lautstärke sind angemessen. Die Aussprache ist deutlich.
Körpersprache
Das Urteil des Personalers wird in weiten Teilen auch von körpersprachlichen Signalen beeinflusst. Tatsächlich steht die Körpersprache eines Bewerbers regelmäßig im Fokus der Beobachtung. Unter anderem deshalb, weil der Körper – gerade unter Anspannung – zu Reaktionen neigt, die sich bewusster Kontrolle entziehen. Das kann dazu führen, dass ein Kandidat ganz unwillkürlich verrät, wann ihm eine Frage unangenehm ist oder was er von den Konditionen hält, die ihm angeboten werden.
Daneben ist die Körpersprache aber auch ein Werkzeug, das Bewerber bewusst einsetzen können, um einen persönlichen Draht zum Gegenüber herzustellen. Körpersprache hat Eisbrecherfunktion und es macht einen großen Unterschied, ob Sie jemandem lächelnd die Hand geben oder nichts dergleichen tun. Nicht zuletzt helfen körpersprachliche Signale auch dabei, das Verständnis zu sichern: Der Einsatz von Mimik und Gestik akzentuiert und visualisiert das Gesagte. Dadurch ist die Nachricht für den Empfänger leichter entschlüsselbar.
Zum non-verbalen Verhalten im Vorstellungsgespräch gibt es ein paar Grundregeln, die Sie sich im Vorfeld bewusst machen und – so weit möglich – in Ihre rhetorischen Vorbereitungen integrieren sollten:
- halten Sie Blickkontakt, mit der Person, die Sie ansprechen und lassen Sie Ihren Blick beim Reden nicht im Raum umherwandern
- lösen Sie den Blickkontakt gelegentlich und starren Sie die Person nicht permanent an
- wenn Sie mehrere Zuhörer haben, fixieren Sie nicht nur den Interviewer – zeigen Sie durch Variation Ihrer Sprech- und Blickrichtung, dass Sie auch die übrigen Personen wahrnehmen und als Gesprächspartner betrachten
- bemühen Sie sich um eine offene, aufrechte Körperhaltung, d. h. keine verschränkten Arme, keine gekreuzten Beine, kein Hineinsinken in den Stuhl, kein Festkrallen an der Stuhllehne...
- vermeiden Sie Unsicherheits- oder Nervositätsgesten, z. B. auf die Lippe beißen, Fingertrommeln, Fußwippen, an die Nase fassen, durch die Haare / den Bart streifen etc.
- vermeiden Sie Dominanzgesten, z. B. mit dem Zeigefinger auf den Tisch klopfen, von “oben herab” blicken ...
- liefern Sie Ihrem Gegenüber Bestätigungssignale als Zeichen des Verstehens (z. B. Kopfnicken)
- Lächeln Sie :-) Nein, kein Dauergrinsen, aber eine positive Grundhaltung gegenüber der Situation und dem Gesprächspartner. Wenn Sie Ihre Stirn fortwährend in Falten legen, ist das nicht gerade vertrauensbildend.
Mit Feedback-Kanälen arbeiten
Das Einüben von nonverbaler Kommunikation gestaltet sich oft schwieriger als das Lernen von Verbalaussagen. Eingefahrene Verhaltensmuster sind nicht von jetzt auf nachher zu ändern. Ganz abgesehen davon, dass die wenigsten überhaupt eine Vorstellung davon haben, welche Wirkung die eigene Stimme bzw. Körpersprache auf andere entfaltet. Feedback-Kanäle leisten in dieser Hinsicht eine große Hilfe. Darunter fällt so ziemlich alles, was einem Redner mittelbar oder unmittelbar Aufschluss über sein eigenes Verhalten gibt:
- Ein einfacher Spiegel genügt, um den Blickkontakt während der freien Rede zu trainieren. Ein Ganzkörperspiegel ist zu empfehlen, um neben der Mimik auch Gestik und Körperhaltung zu beobachten.
- Durch die Verbreitung digitaler Aufnahmetechnik ist es inzwischen ein Leichtes Audio- und Videoaufnahmen zu machen und mit anderen zu teilen. Für Übungszwecke ist es weitgehend gleichgültig, ob Sie ein Smartphone, eine Webcam oder eine Fotokamera mit Filmfunktion verwenden. Wichtig ist eigentlich nur, dass Sie sich in Sitzposition filmen können, ohne die Kamera in der Hand zu halten – Stative leisten hierfür gute Dienste, in der Not tut es auch ein Stapel Bücher auf dem Tisch. Bevor Sie jammern: ja, es ist normal, dass Sie beim Abspielen der Aufnahmen Ihre Stimmlage höher wahrnehmen als sonst. Lassen Sie sich nicht irritieren – diese Differenz existiert nur in Ihrer Wahrnehmung.
- Um sich ein möglichst objektives Bild vom eigenen Redeverhalten zu machen, ist es hilfreich, Einzel- oder Gruppenfeedback einzuholen. Mediale Werkzeuge mögen bei der Selbstbetrachtung helfen, aber Selbst- und Fremdbild sind oft genug zwei sehr verschiedene Paar Schuhe. Zeigen Sie Ihre Aufnahmen einer Person, von der Sie sich ehrliches Feedback erhoffen können – der beste Freund ist dafür nicht unbedingt geeignet …
Konstruktive Arbeit mit Feedback setzt voraus, dass Sie kontinuierlich mit Ihren Erkenntnissen arbeiten und Ihre Übungspraxis daraufhin anpassen. Es genügt nicht bei der Feststellung stehen zu bleiben, dass man irgendwas besser machen könnte. Stellen Sie sich darauf ein, dass Sie ein bestimmtes Verhalten mehrere, vielleicht hunderte (!) Male trainieren müssen, ehe sich eine nachhaltige Verbesserung einstellt. Zwischendurch sollten Sie immer wieder weitere Feedback-Sequenzen durchlaufen, um festzustellen, ob Sie Fortschritte erzielen.
Um Ihren Auftritt in der Videoanalyse zu beurteilen, können Sie das folgende Formular nutzen: