Keine zweite Chance für den ersten Eindruck
Vielleicht ist Ihnen diese Redensart schon mal begegnet: “Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck”. Was zunächst einmal plakativ klingt, umschreibt ziemlich treffend eine Reihe von Phänomenen, die in der Psychologie als “Wahrnehmungsfehler” deklariert werden. Kurz gesagt handelt es sich um Effekte, die dem Auge des Betrachters gewissermaßen eine Brille aufsetzen und damit sein Urteil nachhaltig “rosa” oder “schwarz” färben. Betrachten wir hierzu die folgenden Beispiele:
Welche Erwartungen wecken beide Kandidaten bei Ihnen? Wenn Sie drüber nachdenken, werden Sie vielleicht bemerken, dass Sie den beiden unterschiedliche Qualitäten andichten – ganz unwillkürlich:
Kandidat 1
- “ein gestandener Mann”
- “irgendwie sympathisch”
- “der weiß, worauf es ankommt”
- “sieht intelligent aus”
- “in sich ruhend”
Kandidat 2
- “ganz schon heruntergekommen”
- “voll verpeilt”
- “der kriegt doch nix auf die Reihe”
- “ob der ‘n Schulabschluss hat?”
- “Abwehrhaltung”
Ein Wahrnehmungsfehler, der diesen Aussagen zu Grunde liegt ist z. B. die Stereotypisierung. Von unserer Erfahrung nach “typischen” äußeren Merkmalen schlussfolgern wir auf persönliche Verhaltensweisen und Kompetenzen. Wer ordentlich aussieht, dem wird ordentliches Arbeiten unterstellt. Wer schlampig aussieht, der arbeitet auch schlampig.
Man möchte entgegnen, dass das doch alles nur Vorurteile seien, die nicht zwangsläufig den Tatsachen entsprechen. Doch die Crux an der Sache ist, dass der Ersteindruck auch die weitere Wahrnehmung des Betrachters beeinflusst, um nicht zu sagen manipuliert. Ein Beobachter neigt dazu, Verhaltensweisen so wahrzunehmen, dass sein bisheriges Bild bestätigt wird – ein Phänomen, das man als selektive Wahrnehmung bezeichnet.
Das kann so weit gehen, dass gleiche Verhaltensweisen bei unterschiedlichen Bewerbern unterschiedlich beurteilt werden. Beispielsweise könnten verschränkte Arme bei Kandidat 1 als “abgeklärt”, bei Kandidat 2 als “abwehrend” registriert werden. Andersherum werden erwünschte Verhaltensweisen bei Kandidat 1 wohlwollend zur Kenntnis genommen, bei Kandidat 2 möglicherweise komplett ignoriert. Der “Schmuddeltyp” könnte sich also die größte Mühe geben und trotzdem sang- und klanglos untergehen. Daher noch mal: Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck!
Die ersten wahrnehmbaren Signale sind für den ersten Eindruck richtungweisend, dazu gehören z. B.
- Kleidung
- Mimik
- Körperhaltung
- Körpergeruch
- Händedruck
- Stimme
- Frisur
- (Körper-)Schmuck
- Alter
- Geschlecht
- Figur
Einige dieser Faktoren sind beeinflussbar, andere weniger bis gar nicht. Tatsächlich ist der erste Eindruck, der beim Beobachter entsteht, in weiten Teilen eine Projektion seiner Erfahrungsbiografie. Was in Mitteleuropa einen guten ersten Eindruck macht, kann in anderen Kulturkreisen als Beleidigung aufgefasst werden – je nachdem, wie und wo sich das Gegenüber sozialisiert hat. Daher geht es bei der Frage um einen gelungenen ersten Eindruck im Wesentlichen um die Einhaltung von Konventionen, von denen man annimmt, dass sie dem Wahrnehmungsmuster des Gesprächspartners entsprechen.